Sonntag, 30. September 2007

web 3.0 ... kurzer Gedenkenstrom

Nach dem Web 1.0 (mehr oder weniger statische Internetseiten) und dem Web 2.0 ("das Mitmachnetz") wird es Zeit für das Web 3.0, zumindest für die ersten Vorboten. Ich stelle einfach mal zusammen, was sich da so an Ideen findet.

Zunächst ist da das räumliche Web (spatial web). Mit Google Earth, Maps, aber auch mit rein virtuellen Räumen wie Second Life, World of Warcraft finden sich hier schon einige Systeme, die einen Vorgeschmack darauf bieten, was die Zukunft im Web - und außerhalb des Webs - bieten wird: Die Vermengung virtueller und realer Räume. Wir leben im "First Life" und sind daran gebunden, dass bestimmte Dinge an bestimmten Orten stattfinden: Wohnen, Arbeiten, Urlaub. Gerade bei der Urlaubsplanung ist Google Earth für viele schon ein echtes Werkzeug geworden. Und dann taggt man einfach seiner Bilder mit Geodaten (aufgenommen mit dem GPS-Empfänger) und schon kann man nachverfolgen, was wo war. Genauso kann man auch alles andere geotaggen - damit finden sich auch schon neben Google weitere Firmen, die Karten mit Bildmaterial und Tags verheiraten wollen.

Second Life war sicher zuerst ein Hype und ist jetzt mehr oder weniger uninteressant geworden, die Idee wird aber das räumliche Web beeinflussen: In 2D im Netz zu surfen ist mehr oder weniger unbefriedigend: Wir leben in einer dreidimensionalen Welt. Online-Shops werden in Zukunft die Waren dreidimensional präsentieren (manche faken das ja schon mit Quicktime VR), auf der letzten CeBIT gabe es 3D-Fernseher zu sehen - zusammen mit IPTV und Overlay-Ads eine tolle Vermarktungsquelle: Einfach den laufenden Film an der Stelle anhalten, wo der Hauptdarsteller diese tollen Klamotten anhat, draufklicken und direkt in den Shop kommen. Dort die Klamotten auf das eigene 3D-Modell ziehen... naja, das ist dann vielleicht Web 5.0 - oder so.

Der zweite Kandidat für's Web 3.0 ist das mobile Web. Immer schon verkündet glaube ich daran, dass der mobilen Kommunikation und insbesondere dem mobilen Webzugang die Zukunft gehört. Gerade zusammen mit dem räumlichen Web kann man sich so toll wirklich nützliche Anwendungen überlegen: Wo ist das nächste gute Restaurant: natürlich nach Web 2.0-Maßstäben von Nutzern empfohlen. Das interessiert mich selten dann, wenn ich wirklich am Rechner sitze. Die Kneipen und Restaurants in meiner Nähe kenne ich. Nein, meistens interessiert mich das, wenn ich unterwegs bin. Also schnell auf meiner PSP per öffentlichem W-Lan auf qype.

Für mich als alten KIler (KI = Künstliche Intelligenz) ist die dritte Zukunftslinie natürlich die spannenste: das semantische Netz. Dabei werden Web-Inhalte nicht einfach nur "konsumierbar" für Menschen produziert, sondern so, dass der Rechner auch etwas damit anfangen kann. Genauer: Ein sogenannter Inferenzmechanismus. Ok, zu tief für hier und jetzt, ein Beispiel muss her. Freebase baut auf der Basis von Wikipedia-Artikeln ein semantisches Wiki auf: Zu Städten steht da nicht nur jeweils ein netter Artikel. Jeder Artikel ist potentiell auch mit einem oder mehreren Typen zugeordnet (die man natürlich frei anlegen darf). Städte sind beispielsweise von folgenden Typen: Location (klar, Städte liegen irgendwo auf der Welt, siehe oben), City (Städte haben ganz besondere Eigenschaften, z.B. eine Einwohnerzahl zu einem bestimmten Zeitpunkt), gegebenenfalls noch ein paar mehr.
Eine Stadt liegt in einem Staat - und jetzt wird es interessant. Wo bei Wikipedia die Links alle gleich sind, da sind die Links bei Freebase auch typisiert. Es gibt also einen Linktyp "is contained" (ist enthalten). Eine Stadt ist enthalten in einem Staat. Eine Staat wiederum ist über den gleichen Linktyp enthalten in einem Staatenbund. Und Linktypen können wieder Eigenschaften haben. Zum Beispiel können sie transitiv sein. Hamburg ist beispielsweise in Deutschland, Deutschland in der EU. Also (!) liegt Hamburg auch in der EU. Und genau das ist der Clou. Kein Mensch muss das in irgendeinem Artikel explizit angeben, trotzdem kann man die Information direkt aus Freebase herausbekommen. Mit einer Anfrage bekommt man so beispielsweise alle Millionenstädte in Europa.

Ganz so einfach ist es leider nicht - die Anfragesprache ist eine Wissenschaft für sich. Klar, es geht. Aber schön wäre doch, wenn man irgendwie eine natürlichsprachliche Anfrage in diese komische Syntax automatisch überführen könnte. Das ist jetzt aber wieder Web 4.0.